Am 23. August 2013 berichteten die Pankower Mieter_innen in der Groni50 über ihre Erfahrungen und diskutierten mit dem Stadtsoziologen Andrej Holm über die Rolle der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften.
Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften sollen Wohnungen im öffentlichen Interesse vermieten. Doch unkonkrete Verpflichtungen zu sozialem Engagement werden betriebswirtschaftlichen Zielen untergeordnet. Das ändert auch nicht das vom Berliner Senat 2012 beschlossene „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“. Das stellt den Weichzeichner nur noch besser ein. Verdrängung verhindert das nicht. Da können sich Mieter_innen nur selbst helfen und sich zusammen organisieren.
„Da geht es um Gewinn, nicht darum, Menschen mit Wohnungen zu versorgen“
„Das Drama der Mietsteigerungen ist, dass sie ein flächendeckendes Problem sind“, sagte Andrej, „Einzelne Mieter_innen können da keine individuellen Lösungen finden.“ Als eine Lösung für die Verdrängung von finanziell schlecht gestellten Menschen sollen die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften Wohnungen im öffentlichen Interesse vermieten. Soziale Standards sollen Verdrängung vermeiden. Das Problem dabei ist, dass die Berliner Landesregierungen – gleich welcher Couleur – die Wohnungsbaugesellschaften immer als Unternehmen, die schwarze Zahlen schreiben müssen, behandelt haben. In den Zielvereinbarungen der Wohnungsbaugesellschaften sind die wirtschaftlichen Ziele sehr detailliert aufgeführt. Die sozialen Standards hingegen erscheinen lediglich als schmückendes Beiwerk ohne konkrete Ausführung. Diese Weichzeichnung verschleiert das gewinnorientierte – sprich: kapitalistische – Vorgehen, dass auch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften an den Tag legen. „Sie warten auf Marktchancen und sanieren dann, um hohe Neumieten zu erzielen“, sagte Andrej.
Ein Beispiel dafür sind eben jene betroffenen Mieter_innen in Pankow. Jahre lang ließ die Instandhaltung der Häuser durch die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft GESOBAU viel zu wünschen übrig, berichtete Lion, einer der Mieter_innen aus Pankow. „Wir wollen es Ihnen schön machen“, schrieb eines Tages dann die GESOBAU ihren Mieter_innen in Pankow. Was dieser Satz bedeutete, wurde den Pankower_innen erst allmählich klar: Ihnen stand eine Modernisierung bevor, die eine Steigerung ihrer Mieten zwischen 29 bis gar 56 Prozent über dem Mietspiegelmittelwert nach sich ziehen würde. „Diese Erhöhung ist für viele in unserem Haus einfach untragbar“, sagte Olaf, eine anderer Betroffener aus Pankow.
Zusammenschließen und Druck aufbauen
Sich gegen Verdrängung zu wehren, ist nicht leicht. Schließlich betrifft es ja die eigene Wohnung, ein Ort, in dem man sich auch gern zurückziehen möchte. Hinzu kommt, dass das Wort „Gentrifizierung“ mittlerweile in aller Munde ist. „Die politische Klasse überholt die Mieter_innen, da viele sagen, sie haben das Problem ja erkannt“, sagte Andrej. Selbst die GESOBAU wirbt neuerdings mit dem Slogan „Wir haben etwas gegen Gentrifizierung.“ Sich zusammen zu schließen und Druck auf Politik und Eigentümer_innen auszuüben, ist oft die einzige Möglichkeit für Mieter_innen. So geschehen bei den Pankower_innen. Sie bilden nun das „Bündnis Pankower Mieterprotest“, in dem viele Häuser, mit gleichen Problemen sich zusammengeschlossen haben. Doch die GESOBAU gab in Verhandlungen stets nur Andeutungen und nichts Schriftliches von sich. „Es sind zähe Verhandlungen“, sagte Lion. Erst mit Einschaltung von Politiker_innen bewegte sich die GESOBAU. Das Mieter_innenprotestbündnis fordert eine Kappung der Nettokaltmiete unterhalb des Mittelwerts des Mietspielgels, eine eigentümerunabhängige Mieter_innenberatung, eine Mietgarantie nach der Modernisierung und sinnvolle Modernisierungsmaßnahmen, die den Mieter_innen auch tatsächlich Einsparungen bei ihren Nebenkosten bringen. Mehr und mehr muss die GESOBAU diesen Forderungen nachgeben und sich an die Verpflichtungen halten, die sie 2012 im sozialen Mietenbündnis mit dem Senat erklärte. Die Forderungen der Pankower_innen ließen sich auch auf andere Viertel erweitern.
In Pankow kämpfen die Mieter_innen weiter und konnten so den Druck auf die GESOBAU erhöhen. Solange aber Wohnraum durch Markt und Profit anstatt nach den Bedürfnissen der Menschen organisiert wird, bleibt das Problem bestehen. Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften sind da nur Weichzeichner in der kapitalistischen Stadt. Die Verpflichtung zu sozialen Standards darf nicht unter betriebswirtschaftlichen Zielen verschwinden, sondern muss konkretisiert werden und braucht eine Nachweispflicht, die nicht durch Durchschnittszahlen beschönigt werden kann.
Und wer es verpasst hat, kann die Veranstaltung hier noch einmal mithören:
4 Antworten zu “Weichzeichner in der kapitalistischen Stadt”